Adresse:
Rechtsanwaltskanzlei Moegelin Zerndorfer Weg 63 13465 Berlin
E-Mail:

Erteilung wohlwollendes Arbeitszeugnis hängt von Lesitung und Führung ab

25. May
2014

 - 0Häufig gibt es Streit über den Inhalt des Zeugnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das LAG Berlin-Brb. hatte über so einen Streit zu entscheiden, bei dem es um die Frage ging, was unter einem „wohlwollenden“ Zeugnis zu verstehen ist.

Der Kläger war bei der Beklagten als Maschinenbediener und Programmierer beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er von seinem ehemaligen Arbeitgeber erfolglos ein qualifiziertes sich auf Führung und Leistung erstreckendes wohlwollendes Arbeitszeugnis verlangt. Er ist der Ansicht, dass keine gute Arbeitsleistung vorgelegen habe und daher auch keine wohlwollende Formulierung möcglich sei.

Seiner hiergegen gerichteten Klage hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Einwendungen gegen diesen Anspruch hatte die Beklagte erstinstanzlich nicht vorgebracht. Die Berufungsinstanz hat das Urteil bestätigt.

Auch bei einer nicht guten Beurteilung der Leistung und des Verhaltens eines Arbeitnehmers muss das Arbeitszeugnis formuliert sein (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2013 - 10 Sa 1440/13).

Der Kläger hat nach§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO einen Anspruch auf ein sich auf seine Leistung und sein Verhalten erstreckendes qualifiziertes Zeugnis. Daraus folge, dass ein Arbeitgeber auch bei einer nicht guten Beurteilung der Führung und Leistung eines Arbeitnehmers verpflichtet sei, ein Arbeitszeugnis wohlwollend zu formulieren. Allein ein wohlwollender Wortlaut eines Arbeitszeugnisses hindere den Arbeitgeber nicht, eine wahrheitsgemäße Beurteilung vorzunehmen.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung führt das LAG hierzu wie folgt aus:

Ein Zeugnisses hat wahr zu sein, auch wenn es von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen zu sein hat und es soll ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Hinsichtlich des Zeugnisinhalts in Bezug auf Leistung und Führung, muss der Arbeinehmer mit negativen Aussagen rechnen, die für sein weiteres Fortkommen nachteilig sein könnten.

Ein Zeugnis hat derWahrheitspflicht nachzukommen. Zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens bestehe ein Spannungsverhältnis. Ein Zeugnis kann nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein.

Im einschlägigen Fall lässt sich nach dieser Wertung daher ohne Weiteres die wahre Führung und Leistung des Klägers beschreiben ohne etwa herabwürdigende oder beleidigende Formulierungen zu wählen.

Der konkrete Inhalt des Zeugnisses war nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites, so dass gegebenenfalls in einem weiteren Rechtsstreit die wahre Führung und Leistung des Klägers zu beurteilen wäre.

Dieses Urteil verdient Zustimmung. Auch wenn der Arbeitgeber der Ansicht ist, er könne dem Arbeitnehmer kein wohlwollendes Zeugnis erteilen, dann ist das kein sachlicher Grund, um die Zeugniserteilung im Ganzen zu verweigern. Aus § 109 GewO ergibt sich der grundsätzliche Anspruch auf Zeugniserteilung. Demnach ist ein Zeugnis stets zu erteilen und dieses ist wohlwollend zu formulieren. Und ein Arbeitgeber ist auch stets in der Lage, es in dieser Weise zu formulieren. Denn die zutreffende und sachliche Leistungsbewertung erfüllt das Kriterium „wohlwollend“.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. November 2013 - 10 Sa 1440/13:

Leitsatz

Auch bei einer nicht guten Beurteilung der Leistung und des Verhaltens eines Arbeitnehmers muss das Arbeitszeugnis formuliert sein.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23. April 2013 - 5 Ca 1725/12 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 2.200,-- EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein „wohlwollendes“ sich auf Führung und Leistung erstreckendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 9. März 2012 bis 31. März 2012 als Maschinenbediener und Programmierer in Vollzeit beschäftigt. Er hat neben anderen Ansprüchen von der Beklagten ein qualifiziertes sich auf Führung und Leistung erstreckendes wohlwollendes Arbeitszeugnis verlangt.

Einwendungen gegen diesen Anspruch hatte die Beklagte erstinstanzlich nicht vorgebracht.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23. April 2013 insoweit antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass der Anspruch aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 109 GewO begründet sei.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 15. Juli 2013 zugestellte Urteil hat dieser am 14. August 2013 für die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 15. Oktober 2013 begründet.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Kläger während des 77 Arbeitstage dauernden Arbeitsverhältnisses insgesamt 31 Tage gefehlt habe, davon 22 infolge Arbeitsunfähigkeit, 5 Tage wegen Fortbildung und 4 Tage unentschuldigt. Mit der Leistung sei die berufliche Verwendbarkeit des Klägers zu beurteilen, indem Aussagen zu Arbeitsbefähigung (Können), Arbeitsbereitschaft (Wollen), Arbeitsvermögen (Ausdauer), Arbeitsweise (Einsatz), Arbeitsergebnis (Erfolg) und Arbeitserwartung (Potential) sowie bei Vorgesetzten zur Führungsleistung zu treffen seien. Die Führung an sich sei im Bereich des Sozialverhaltens, also die Kooperations- und Kompromissbereitschaft und gegebenenfalls das Führungsverhalten und der Führungsstil zu beurteilen.

Soweit der Kläger anwesend gewesen sei, sei sein Verhalten nicht positiv gewesen. Er habe Sicherheitsanweisungen nicht eingehalten, was zu drei Arbeitsunfällen geführt habe. Er habe die Anweisungen für die Benutzung des Gabelstaplers nicht eingehalten und habe dadurch andere Mitarbeiter gefährdet. Schließlich habe er Anweisungen für die Bedienung der Stanze nicht befolgt und dadurch Schäden verursacht. Dieses führe dazu, dass das Zeugnis nicht wohlwollend formuliert werden könne.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23. April 2013 - 5 Ca 1725/12 dahin abzuändern, dass die Berufungsklägerin verpflichtet wird, dem Berufungsbeklagten ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zum Beendigungsdatum 31.07.2012 auszustellen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, ohne dass die Bezeichnung „wohlwollend“ einbezogen wird.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Berufung für unzulässig, da die Beklagte durch das Urteil erster Instanz nicht beschwert sei. Die wohlwollende Formulierung sei dem Zeugnisanspruch immanent, so dass er die Beklagte nicht beschwere. Lediglich das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers solle nicht ungerechtfertigt erschwert werden. Der Vortrag sei aber auch verspätet, da in erster Instanz gegen den Anspruch nichts vorgebracht worden sei. Inhaltlich bestreite der Kläger, dass er das von der Beklagten behauptete Fehlverhalten tatsächlich begangen habe. Der Vortrag der Beklagten sei unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 16. Oktober 2013 und auf die BeLrufungsbeantwortung des Klägers vom 30. Oktober 2013 sowie das Sitzungsprotokoll vom 7. November 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II. Die zulässige Berufung ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis und in der Begründung ist keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1. Der Kläger hat nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO einen Anspruch auf ein sich auf seine Leistung und sein Verhalten erstreckendes qualifiziertes Zeugnis. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Arbeitgeber auch bei einer nicht guten Beurteilung der Führung und Leistung eines Arbeitnehmers verpflichtet, ein Arbeitszeugnis wohlwollend zu formulieren. Allein ein wohlwollender Wortlaut eines Arbeitszeugnisses hindert den Arbeitgeber nicht, eine wahrheitsgemäße Beurteilung vorzunehmen.

2. Bereits am 8. Februar 1972 hat das Bundesarbeitsgericht im Verfahren BAG, Urteil vom 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 entschieden, dass bei der Wertung der Tragweite eines Zeugnisses zunächst gelte, dass dieses wahr sein müsse, auch wenn es von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren solle. Dieser das Zeugnisrecht beherrschende Grundsatz habe zur Folge, dass der Arbeitnehmer, wenn sich das Zeugnis auf sein Verlangen hin auf Leistung und Führung erstrecken solle, mit negativen Aussagen rechnen müsse, die für sein weiteres Fortkommen nachteilig sein könnten. Bekräftigt hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung am 9. September 1992 im Verfahren BAG, Urteil vom 9. September 1992 - 5 AZR 509/91, indem es ausgeführt hatte, dass ein Zeugnis in erster Linie wahr sein müsse. Die Wahrheitspflicht umfasse alle Fragen des Zeugnisrechts. Andererseits solle es das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens bestehe ein Spannungsverhältnis. Ein Zeugnis könne nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein.

Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht -BAG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11- entschieden:

Ein Zeugnis soll zwar von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht geeignet, über die in § 109 GewO vom Gesetzgeber festgelegten Ansprüche bezüglich des Inhalts von Zeugnissen hinaus weitere Ansprüche von Arbeitnehmern zu begründen. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein. Damit verpflichtet der „Wohlwollensgrundsatz“ den Arbeitgeber nur, bei der Erfüllung der durch § 109 GewO begründeten Pflichten Wohlwollen walten zu lassen. Der Grundsatz beschreibt nur das „Wie“ der Leistungserbringung und setzt insofern das Bestehen eines Anspruchs voraus.“

3. Sofern danach die Beklagte meinen sollte, dass ihre Wahrheitspflicht bei der Zeugniserteilung zu negativen Aussagen über Führung und Leistung des Klägers führen würde, steht der Tenor der angefochtenen Entscheidung dem nicht entgegen. Denn auch in diesem Fall lässt sich ohne Weiteres die wahre Führung und Leistung des Klägers beschreiben ohne etwa herabwürdigende oder beleidigende Formulierungen zu wählen.

Der konkrete Inhalt des Zeugnisses ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites, so dass gegebenenfalls in einem weiteren Rechtsstreit die wahre Führung und Leistung des Klägers zu beurteilen wäre.

Deshalb war die Berufung zurückzuweisen.

III.. Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Kosten der Berufung sind von der Beklagten als unterlegene Partei zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.