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Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis - VG Köln 20 K 6401/10

10. Mar
2015

 - 0Wer mit Sprengstoff zu tun hat, braucht hierfür die Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz. Dem Kläger wurde gemäß § 27 SprengG die Erlaubnis unter Auflagen erteilt und zwar für das "Erwerben, Aufbewahren, Verwenden, Vernichten und Verbringen von Treibladungspulver", und zwar mengenmäßig für 2 kg Schwarzpulver und 14 kg Nitropulver. Ein Merkblatt zur zulässigen Lagerung der Treibladungspulver habe er erhalten und dessen Inhalt befolgt. Weitergehende Merkblätter seien ihm seien ihm unbekannt gewesen. Aufgrund eines richterlichen Durchsuchungs-Beschlusses fand man in seinem Haus unter anderem einen selbst gebastelten Sprengsatz und in seinem Werkraum 1 kg Schwarzpulver sowie insgesamt 2,5 kg Nitropulver.

Mit Bescheid der auf § 34 Abs. 2 SprengG gestützt wurde, widerrief die beklagte Behörde die Erlaubnis nach dem Sprengstoffrecht. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Köln abgewiesen.

Eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn die betreffende Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt. Das ist der Fall bei der Aufbewahrung eines selbstgebastelten Sprengsatzes ohne weitergehende Sicherung in einem Pappkarton (VG Köln, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 20 K 6401/10).

Im Sinne des § 8a Abs. 1 Nr. 2 b SprengG liegen nach den Feststellungen des Gerichts sowohl Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen werde und dass er diese auch nicht sorgfältig aufbewahren werde. Dies folgt unter anderem aus dem Auffinden des selbst gebastelten Sprengsatzes gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 SprengG. Hierbei handelt es sich um einen Explosivstoff, der für die bestimmungsgemäße Verwendung ganz oder teilweise fest eingeschlossen ist und in die die Explosion eingeleitet wird. Bei einer Untersuchung einer diesbezüglichen Probe durch das Landeskriminalamt ist eine Explosion herbeigeführt worden, die zum Ergebnis kommt, dass es sich um einen Sprengsatz gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 SprengG handelt. Der selbstgebastelte Sprengsatz war nicht von der Erlaubnis gedeckt.

Des Weiteren hat der Kläger mehr als die zulässige Menge von 1 kg Treibladungspulver in seinem Werkraum aufbewahrt und zwar 0,984 kg Schwarzpulver und 1,768 kg Nitropulver belief. Zulässig war in dem Raum lediglich 1 kg Schwarzpulver bzw. Treibladungspulver insgesamt. Dies ergibt sich aus der Anlage 6 zu "Aufbewahrung kleiner Mengen nach Nr. 4.1 des Anhanges zur 2. Verordnung zum Sprengstoffgesetz - 2. SprengV" ; denn bei Zusammenlagerung der Pulversorten der Lagergruppen 1.1 und Lagergruppe 1.3 richtet sich die Höchstlagermenge nach den Werten der Lagergruppe 1.1 (Nr.4.2(1) des Anhangs zur 2.SprengV sowie Nr.4.4(1) SprengLR 410).

Seine Unkenntnis entlastet den Kläger nicht. In dem vom Kläger vorgelegten Merkblatt wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Aufbewahrung von Treibladungspulver nach der Sprengstofflager-Richtlinie "Richtlinie Aufbewahrung kleiner Mengen" SprengLR 410 richtet. Es hat demnach dem Kläger als Erlaubnisinhaber oblegen, sich genau über den Inhalt der dort normierten Aufbewahrungsregeln zu informieren.

Volltext des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Dezember 2011 - 20 K 6401/10:

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kostenvorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Dem Kläger wurde erstmals am 11.09.1992 vom seinerzeitigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Köln eine Erlaubnis nach § 27 des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG) erteilt (betreffend Schwarzpulver).

Nach zwischenzeitlichen Verlängerungen dieser Erlaubnis wurde dem Kläger auf seinen Antrag vom 03.12.2007 hin vom Beklagten am 08.01.2008 die Erlaubnis Nr. 00/00, gültig bis zum 07.01.2013, erteilt für das "Erwerben, Aufbewahren, Verwenden, Vernichten und Verbringen von Treibladungspulver", und zwar mengenmäßig für 2 kg Schwarzpulver und 14 kg Nitropulver.

Am 09.07.2008 fand aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 30.06.2008 eine Durchsuchung des Einfamilienhauses des Klägers in L. 00, 00000 P. , sowie seines Pkw statt. Im Rahmen der Durchsuchung wurden u.a. ein selbst gebastelter Sprengsatz, ein mit Schwarzpulver gefüllter Kunststofftrinkhalm, eine Gaspistole ohne PTB-Kennzeichen in einem Nachttisch, mehrere Waffen und Munition unverschlossen in den Räumen sowie ein Magazin Kal. 45 mit 5 Patronen im Kfz des Klägers aufgefunden und von den einschreitenden Beamten der Kreispolizeibehörde sichergestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den gefertigten Durchsuchungsbericht (Bl. 89 - 106 des vorgelegten Verwaltungsvorganges) Bezug genommen. Im Hinblick auf die aufgefundenen Chemikalien und Sprengstoffe wurden bei der Durchsuchung über das Landeskriminalamt zwei Beamte des Entschärfungskommandos der Bundespolizei hinzugezogen.

Unter dem 04.08.2008 hörte der Beklagte den Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis an und wies dabei auf Folgendes hin:

In dem Kellerverschlag im Hause des Klägers sei eine Zündvorrichtung gefunden; in dem Werkraum seien in den Waffenschränken 1 kg Schwarzpulver sowie insgesamt 2,5 kg Nitropulver gefunden worden, des Weiteren in dem Werkraum ein selbst gebastelter Sprengsatz. Im Büro im Obergeschoss hätten zwei Luftgewehre, zwei Repetiergewehre und ein Zündnadelkarabiner unverschlossen auf einem Karton gelegen, auf dem Boden lose Waffenteile und Patronen; an der Tür vom Werkraum ein Beutel mit Munition; im Auto des Klägers darüber hinaus ein Magazin mit 5 Patronen.

Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 12.07.2010 wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem aufgefundenen Sprengsatz um einen Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG handele; die aufgefundenen Chemikalien seien zur Herstellung des gefährlichen Sprengstoffs TATP geeignet.

Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 21.07.2010 Stellung und führte u.a. aus, dass er die aufgefundenen Chemikalien sämtlich legal erworben habe. Zudem habe auch die Staatsanwaltschaft die Asservate freigegeben. Ein Merkblatt zur zulässigen Lagerung der Treibladungspulver habe er erhalten und dessen Inhalt befolgt; soweit der Beklagte auf ein neues Merkblatt hinweise, sei ihm dieses unbekannt. Er habe auch nicht gegen waffenrechtliche Vorschriften verstoßen.

Mit Bescheid vom 15.09.2010, gestützt auf § 34 Abs. 2 SprengG, widerrief der Beklagte die dem Kläger erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.09.2010 zugestellt.

Der Kläger hat am 18.10.2010 Klage erhoben, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 15.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die angefochtene Widerrufsverfügung für rechtmäßig. Der Kläger besitze nicht die erforderliche sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit, denn er habe sowohl gegen die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Ziffer 2 b SprengG verstoßen als auch gegen § 8 a Abs. 2 Nr. 5 SprengG. Im Sinne der erstgenannten Vorschrift habe er im Hinblick auf die Herstellung und dauerhafte Aufbewahrung des selbstgefertigten Sprengsatzes den Tatbestand des nicht sachgemäßen Umganges mit explosionsgefährlichen Stoffen erfüllt und darüber hinaus habe er wegen Óberschreitung der zulässigen Lagerungsmenge diese Gegenstände auch nicht sorgfältig aufbewahrt. Darüber hinaus habe der Kläger wiederholt gegen Vorschriften des Waffen- und Sprengstoffgesetzes verstoßen. Er habe eine Gaspistole Röhm ohne PTB-Kennzeichen im Nachttisch aufbewahrt, ohne eine entsprechende Erlaubnis zu haben. Damit habe er sowohl gegen die Eintragungspflicht verstoßen als auch gegen die Aufbewahrungsvorschriften, denn die Pistole hätte in einem Sicherheitsbehältnis mit der geforderten Sicherheitsstufe aufbewahrt werden müssen. Ein Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten sei auch darin zu sehen, dass Munition im Flur vor dem Werkraum gelegen hätte, des Weiteren auch unverschlossene Waffen im Büro des Klägers, auch wenn dieses Büro selbst verschlossen war. Im Óbrigen verweist der Beklagte auf die Widerrufsverfügung des Landrates des Rheinisch Bergischen Kreises als Kreispolizeibehörde vom 20.08.2010 betreffend den dort ausgesprochenen Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse. Die gesetzliche Regelvermutung nach § 8 a Abs. 2 Nr. 5 SprengG habe der Kläger auch nicht ausgeräumt; diesbezüglich sei es auch nicht ausschlaggebend für die ergriffene Maßnahme zur Gefahrenabwehr, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gem. § 153 StPO eingestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 20 K 5647/10 (Klageverfahren betreffend waffenrechtliche Maßnahmen gegen den Kläger) sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsunterlagen Bezug genommen.


Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Widerrufsbescheid des Beklagten vom 15.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in §§ 34 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 27 Abs. 3 Ziffer 1 i.V.m. 8 Abs. 1 Ziffer 1 SprengG. Danach ist eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn die betreffende Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt.

Der Kläger ist unzuverlässig i.S.d. § 8 a Abs. 1 Ziffer 2 b SprengG.

Im Sinne des § 8a Abs. 1 Nr. 2 b SprengG liegen sowohl Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen werde und dass er diese auch nicht sorgfältig aufbewahren werde. Im Hinblick auf die erste Tatbestandsalternative folgt dies aus dem Auffinden des selbst gebastelten Sprengsatzes (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 SprengG); bei der Untersuchung einer diesbezüglichen Probe durch das Landeskriminalamt ist eine Explosion herbeigeführt worden.

Des Weiteren hat der Kläger mehr als die zulässige Menge von 1 kg Treibladungspulver in seinem Werkraum aufbewahrt. Bereits bei der Durchsuchung sind in diesem Raum -einem "unbewohnten Raum in einem Geschäftsgebäude" - Nitropulver und Schwarzpulver aufgefunden worden, deren Menge sich bei einer genauen Óberprüfung durch den Beklagten am 10.12.2010 auf 0,984 kg Schwarzpulver und 1,768 kg Nitropulver belief. Zulässig war in dem Raum lediglich 1 kg Schwarzpulver bzw. Treibladungspulver insgesamt (Anlage 6 zu "Aufbewahrung kleiner Mengen nach Nr. 4.1 des Anhanges zur 2. Verordnung zum Sprengstoffgesetz - 2. SprengV" ; in der bis zum 30.11.2010 gültigen Fassung von Anlage 6, Lagergruppe 1.1, Zeile 2 - Schwarzpulver - sowie Lagergruppe 1.3, Zeile 8 - Nitropulver), denn bei Zusammenlagerung der Pulversorten der Lagergruppen 1.1 und Lagergruppe 1.3 richtet sich die Höchstlagermenge nach den Werten der Lagergruppe 1.1 (Nr.4.2(1) des Anhangs zur 2.SprengV sowie Nr.4.4(1) SprengLR 410). Sofern sich der Kläger diesbezüglich dahingehend einlässt, er sei durch das ihm vom Beklagten seinerzeit ausgehändigte Merkblatt auf die zulässige Höchstlagermenge nicht hingewiesen worden, vermag ihn dies nicht zu entlasten. In dem erwähnten und vom Kläger vorgelegten Merkblatt wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Aufbewahrung von Treibladungspulver nach der Sprengstofflager-Richtlinie "Richtlinie Aufbewahrung kleiner Mengen" SprengLR 410 richtet. Vor allem aber ist in der vom Beklagten am 08.01.2008 erteilten Erlaubnis Nr. 85/07 unter Ziff. III Nr.1 ausdrücklich enthalten, dass die Erlaubnis unter der Auflage erteilt wird: "Treibladungspulver ist entsprechend der Sprengstofflager-Richtlinie "Kleine Mengen" (SprengLR 410 ...) aufzubewahren". Es hat demnach dem Kläger als Erlaubnisinhaber oblegen, sich genau über den Inhalt der dort normierten Aufbewahrungsregeln zu informieren.

Ein weiterer Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten ergibt sich daraus, dass der Kläger - offensichtlich über Jahre hinweg - den selbstgebastelten Sprengsatz ohne weitergehende Sicherung in einem Pappkarton in seinem Werkraum aufbewahrt hat.

Was die vom Beklagten zusätzlich aufgeführten Chemikalien, die womöglich zur Herstellung von TATP geeignet sind, sowie den mit Schwarzpulver gefüllten Trinkhalm anbetrifft, waren gerichtliche Feststellungen im Rahmen der hier vorzunehmenden Zuverlässigkeitsprüfung somit nicht mehr erforderlich.

Der Kläger ist des Weiteren unzuverlässig nach § 8 a Abs. 2 Ziffer 5 SprengG.

Der Kläger hat i.S. dieser Vorschrift wiederholt gegen waffen- und sprengstoffrechtliche Vorschriften verstoßen.

Der Verstoß gegen sprengstoffrechtliche Aufbewahrungsbestimmungen ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Des Weiteren war der Kläger - seit vielen Jahren - im Besitz eines selbstgebastelten Sprengsatzes, ohne hierfür die erforderliche Erlaubnis nach § 27 SprengG zu haben.

Bezüglich der weiteren, anlässlich der Hausdurchsuchung beim Kläger am 09.07.2008 von den einschreitenden Beamten des Beklagten festgestellten Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Kammer im Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 20 K 5647/10 wegen des Widerrufs der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse durch die Kreispolizeibehörde Bezug genommen.

Der Kläger hat auch die im Rahmen des § 8 a Abs. 2 Ziffer 5 SprengG bestehende gesetzliche Regelvermutung nicht - ausnahmsweise - widerlegt; auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid, denen das Gericht folgt, wird insoweit Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.