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Buttersäure zur Maulwurfbekämpfung - VG Berlin 4 L 167.15

23. Aug
2015

Das gegen einen Internetanbieter ergangene Verbot, Buttersäure als Mittel gegen Maulwürfe oder Wühlmäuse anzubieten und zu vertreiben, ist rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Volltext des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juli 2015 - 4 L 167.15:


Tenor

1 Der Antrag wird zurückgewiesen.

2 Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu ¾ und der Antragsgegner zu 1/4.

3 Der Wert des Streitgegenstands wird auf 13.000,-- Euro festgesetzt.


Gründe

4 I.

5 Der Antragsteller wehrt sich gegen die sofortige Vollziehung einer Untersagungsverfügung.

6 Er vertreibt über einen Internet-Versandhandel Buttersäure in Gefäßen von 100 ml, 250 ml und 500 ml Größe. Der Antragsteller führte auf seiner Internetseite „buttersaeure24.de“ aus, Buttersäure werde als Rohstoff für die Synthese von Schädlingsbekämpfungsmitteln eingesetzt und stellte gleichzeitig auf dieser Internetseite Kundenbewertungen ein, die sich zur Wirksamkeit von Buttersäure als Mittel zur Vertreibung u.a. von Maulwürfen verhielten. Dies wertete das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit in Berlin – LAGetSi -, als es hiervon Kenntnis erhielt, als Bestätigung dafür, dass die Buttersäure beim Antragsteller ausschließlich für diesen Anwendungszweck, insbesondere zur Maulwurfbekämpfung gekauft wurde. In der Folge wies die Behörde den Antragsteller darauf hin, dass Biozid-Produkte mit dem Wirkstoff Buttersäure nicht verkehrsfähig seien, und forderte ihn wiederholt auf, derartige Werbung zu unterlassen.

7 Buttersäure ist eine Flüssigkeit, die nach Erbrochenem oder ranziger Butter riecht. Die Dämpfe der Buttersäure reizen die Augen und die Atemwege. Die Substanz ist als „ätzend“ eingestuft.

8 Auf den Hinweis des Gewerbeaufsichtsamtes Würzburg, dass die im Internet vom Antragsteller eingestellten Abbildungen der Gefäße darauf schließen ließen, dass diese keine kindersicheren Verschlüsse aufwiesen, wies die Behörde den Antragsteller darauf hin, dass nach den unionsrechtlichen Vorgaben der unionsrechtlichen Verordnung Nr. 1272/2008/EG - CLP-VO) Gefäße, in denen Buttersäure vertrieben werde, mit kindersicheren Verschlüssen auszustatten und besonderen Gefahrenpiktogrammen und -hinweisen zu versehen seien, und forderte ihn wiederholt auf, die Verwendung von kindersicheren Verschlüssen nachzuweisen und die genannten Gefahrenhinweise anzubringen.

9 In der Folgezeit änderte der Antragsteller den Inhalt seiner Internetseite „buttersaeure24.de“ und führte dort nunmehr aus, dass Buttersäure ein unverzichtbarer Rohstoff für die Herstellung verschiedener Produktarten sei. Beispiele seien die Herstellung von Kunststoffen und Weichmachern. Gebe man der Säure Ethanol hinzu, so entstehe Buttersäureethylester. Dieses rieche angenehm nach Ananas und werde bei der Herstellung von Parfüms oder Likören verwendet.

10 Mit Bescheid vom 20. April 2015, dem Antragsteller zugestellt am 27. April 2015, untersagte das Landesamt dem Antragsteller im Tenorpunkt 1, Buttersäure als Biozid-Produkt anzubieten und zu vertreiben. Im Tenorpunkt 2 des Bescheides untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller, Buttersäure ohne Nachweis einer ordnungsgemäßen Verpackung nach CLP-Verordnung sowie unter Beachtung der Werbevorschriften dieser Verordnung weiter zu vertreiben. Die Aussprüche zu 1. und 2. erstreckte der Antragsgegner auf jede Firma und jede vom Antragsteller beherrschte juristische Person, unter der er am Markt auftrete. Die Anordnungen verband der Antragsgegner mit der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 5.000 Euro für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung zu 1. oder der Anordnung zu 2. nicht binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides nachkomme.

11 Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Antragsteller bewerbe das Produkt Buttersäure auf seiner Internetseite als Mittel zur Abwehr von Maulwürfen. Zwar tauche dieser Zweck bei den dort dargestellten Anwendungsmöglichkeiten nicht auf, doch sei die Seite so gestaltet, dass sich dem potentiellen Kunden der beabsichtigte Einsatzzweck, nämlich die Bekämpfung von Maulwürfen und Wühlmäusen geradezu aufdränge. Zum einen sei der Seitenhintergrund als Graslandschaft gestaltet und weise keinen Zusammenhang zu den angegebenen Anwendungsmöglichkeiten auf, zum anderen seien auf der Seite Kundenbewertungen eingestellt, die sich lobend über den effektiven Einsatz von Buttersäure gegen Wühlmäuse und Maulwürfe äußerten. Angesichts dessen werde Buttersäure auf dieser Seite als Biozid angeboten. Die Anordnungen seien erforderlich, da der Antragsteller allen vorangegangenen Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Bislang habe der Antragsteller keine ordnungsgemäße Verpackung nachgewiesen. Die Maßnahme treffe den Antragsteller nicht unangemessen, da er sich bisher durch die Nichteinhaltung der Vorschriften einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe.

12 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, da sie auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dritten sowie auf den Umweltschutz gerichtet sei und gleichzeitig dafür gesorgt werden solle, dass der Verbraucher vor dem Kauf über Gefahren beim Umgang mit Buttersäure informiert werde und Kinder nicht - bedingt durch die Gestaltung der Flaschenverschlüsse - mit dem Material in Berührung kommen könnten. Diesen Anliegen komme Vorrang vor dem allgemeinen Erwerbsinteresse des Antragstellers zu.

13 Am 27. April 2015 erhob der Antragsteller Widerspruch und hat gleichzeitig das vorliegende Eilverfahren anhängig gemacht. Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2015 erklärte der Antragsgegner, dass angesichts der im Zusammenhang mit dem Eilverfahren vorgelegten Flaschen zusammen mit der Bestätigung der Herstellerfirma und der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers die vom Antragsteller verwendeten Verpackungen als rechtskonform bewertet werden könnten. Insoweit sei der Tenorpunkt 2 der Anordnung vom 20. April 2015 erledigt. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 hat der Antragsgegner klargestellt, dass Punkt 2 der Anordnung vom 20. April 2015 in der Hauptsache für erledigt erklärt werde. Dem hat sich der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Juli 2015 angeschlossen.

14 Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2015, dem Antragsteller zugestellt am 6. Juli 2015, hat der Antragsgegner durch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit in Berlin den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen. Dabei sei, so die Begründung des Bescheides, allerdings der Punkt 2 der Anordnung vom 20. April 2015 aus den Gründen des Schriftsatzes vom 28. Mai 2015 erledigt. Mit der am 8. Juli 2015 erhobenen Klage VG 4 K 277.15, die sich auf die Anfechtung des Tenorpunktes 1 des Bescheides beschränkt, verfolgt der Kläger sein Begehren in der Hauptsache weiter.

15 Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, es fehle bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für die ergangene Anordnung. Der vom Antragsgegner herangezogene § 23 ChemG genüge als Generalklausel nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit. Eine ordnungsrechtliche Generalklausel reiche für einen Eingriff in die Berufsfreiheit nicht aus, wenn es der Sache nach um eine neu verbreitete Erscheinungsform der Berufsausübung gehe. So liege es bei dem vom Antragsteller betriebenen Internethandel. Die Anordnung laufe auf ein totales Berufs- und Gewerbeverbot für ihn hinaus.

16 Zudem sei das Verbot, Buttersäure als Biozidprodukt anzubieten und zu vertreiben, nicht hinreichend bestimmt. Denn es sei ein komplizierter Subsumtionsprozess erforderlich, um zu beurteilen, wann es sich um ein Biozid-Produkt handele. Der Gesetzgeber definiere das Merkmal „Biozid-Produkt“ in § 3 Abs. 1 Nr. 11 ChemG über eine dynamische Verweisung auf eine EU-Verordnung. Buttersäure werde zudem als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Der Begriff „Biozid“ sei im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit Pestizid bzw. Pflanzenschutzmittel. Der Wortbestandteil „zid“ stehe für „Tötung“, doch gehe es hier nur um Vertreibung. Daher sei auch der Begriff „Biozid“ unbestimmt. Außerdem sei der Regelungstenor dadurch unterschiedlichen subjektiven Beurteilungen zugänglich, dass sich die Eigenschaft als Biozid-Produkt nach einer entsprechenden Zweckbestimmung richte. Die Zweckbestimmung werde einem Produkt im Übrigen erst durch den Besteller gegeben. Soweit der Antragsgegner insoweit auf Kundenbewertungen abstelle, dürften ihm diese gerade nicht als eigene Behauptung zugerechnet werden. Zu deren Veröffentlichung sei er rechtlich verpflichtet. Die technische Betreuung des Internetshops werde zudem von einem Drittanbieter vorgenommen. Er, der Antragsteller, habe auf die Einstellung von Kundenbewertungen keinen Einfluss. Hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung genüge die nach Wochen bestimmte Frist nicht dem Maßstab des § 13 VwVG, da eine kalendermäßige Bestimmung erforderlich sei. Die Frist sei zudem unangemessen kurz. Denn er müsste sein gesamtes Geschäftsmodell umstrukturieren. Zudem fehle das Eilbedürfnis.

17 Der Antragsteller beantragt nach der Teilerledigungserklärung,

18 1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit vom 20. April 2015 hinsichtlich der Ziffer 1 der Anordnung wiederherzustellen,

19 2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit vom 20. April 2015 hinsichtlich der Ziffer 4.1 der Anordnung anzuordnen.

20 Der Antragsgegner beantragt,

21 den Antrag zurückzuweisen.

22 Er hält an dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Aussprüche zu Nr. 1 und Nr. 4.1 fest.

23 II.

24 Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sich in der vom Prozessvertreter des Antragstellers formulierten Fassung auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Ausgangsbescheid vom 20. April 2015 richtet, ist unzulässig geworden, nachdem er gegen den Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2015 Klage erhoben hat. Versteht man den Antrag sinngemäß als das Begehren, die aufschiebende Wirkung der gegen die Tenorpunkte 1 und 4.1 des angefochtenen Bescheides gerichteten Klage VG 4 K 277.15 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, so ist der Antrag zulässig, aber unbegründet. Die durch § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Es besteht ein besonderes überwiegendes Vollzugsinteresse. Die fristgemäß erhobene Klage bleibt voraussichtlich ohne Erfolg. Der Bescheid begegnet, soweit er angefochten ist, keinen durchgreifenden Bedenken.

25 1. Rechtsgrundlage für das an den Antragsteller ergangene Verbot, Buttersäure als Biozid-Produkt anzubieten und zu vertreiben, ist § 23 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen in der Fassung vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3498, 3991, zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Juni 2014, BGBl. I S. 824 – ChemG) in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Verordnung Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1 - Biozid-VO -). Nach § 23 Abs. 1 ChemG kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Abs. 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig ist. § 21 Abs. 2 ChemG nennt EG- oder EU-Verordnungen, die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen. Dazu zählt die Biozid-Verordnung. Dies folgt aus § 3 Satz 1 Nr. 11 ChemG, wonach im Sinne dieses Gesetzes ein Biozid-Produkt definiert ist als ein Biozidprodukt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a Biozid-VO. Nach Art. 17 Abs. 1 Biozid-VO dürfen Biozidprodukte nur auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn sie gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurden.

26 a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Ein Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 1 ChemG liegt vor, weil der Antragsteller ein Biozidprodukt auf dem Markt bereitstellt, ohne dass es eine Zulassung nach der Biozid-Verordnung besitzt.

27 aa. Bei der vom Antragsteller auf seiner Internetseite „buttersaeure24.de“ beworbenen Buttersäure handelt es sich um ein Biozidprodukt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a Biozid-VO. Nach dessen Spiegelstrich 1 bezeichnet der Ausdruck „Biozidprodukt“ im Sinne dieser Verordnung jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.

28 (1) Maulwürfe sind Schadorganismen im Sinne der Biozid-Verordnung. Denn sie erfüllen die Definition dieses Merkmals in Art. 3 Abs. 1 lit. g Biozid-VO. Danach bezeichnet der Ausdruck „Schadorganismus“ im Zusammenhang dieser Verordnung einen Organismus einschließlich Krankheitserreger, der für Menschen, für Tätigkeiten des Menschen oder für Produkte des Menschen, die von Menschen verwendet oder hergestellt werden, oder für Tiere oder die Umwelt unerwünscht oder schädlich ist. Der Einsatz von Buttersäure zur Vertreibung von Maulwürfen durch Privatpersonen dient dazu, die Maulwurfshügel zu vermeiden, die der Maulwurf im Zuge seiner unterirdischen Jagd nach Beute beim Graben von Gängen erzeugt. Die Lästigkeit der Maulwurfshügel besteht gerichtsbekannt darin, dass die Einheitlichkeit einer Rasenfläche in ihrem ästhetischen Erscheinungsbild gestört wird. Zudem sind die Maulwurfshügel potentielle Stolperfallen beim Betreten der Rasenfläche. Das Anlegen unterirdischer Gänge kann ferner bauliche Konstruktionen unsicher machen. Mithin ist der Maulwurf unerwünscht oder schädlich für eine vom Menschen angelegte oder gepflegte Rasenfläche im Sinne eines Produkts bzw. für die Umwelt.

29 (2) Da das Merkmal „Biozidprodukt“ im Sinne der Biozid-VO auch die bloße Abschreckung von Schadorganismen umfasst, dringt der Antragsteller nicht mit seiner Kritik durch, im allgemeinen Sprachgebrauch sei der Wortbestandteil „zid“ mit einer - hier unstreitig nicht vorliegenden - Tötung verbunden. Die Abschreckung erfolgt sensorisch und damit auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung.

30 (3) Die vom Antragsteller angebotene Buttersäure ist auch zur Abschreckung u.a. von Maulwürfen im Sinne der Biozid-Verordnung bestimmt. Entscheidend für das Merkmal der Bestimmung eines Produkts ist, wie sie einem durchschnittlich informierten Verbraucher gegenüber in Erscheinung tritt. Diese "Bestimmung" - der Verwendungszweck - erschließt sich aus der stofflichen Zusammensetzung des Präparats, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebes (BVerwG, Beschluss vom 12. September 1996 - BVerwG 3 B 43/96 -, Rn. 5, juris m.w.N. zum Merkmal der Zweckbestimmung im Arzneimittelgesetz, Pflanzenschutzgesetz und Düngemittelgesetz). Dabei kommt der allgemeinen Verkehrsauffassung wesentliche Bedeutung zu (Sander, Arzneimittelgesetz, Loseblattkommentar, Stand März 2014, § 2 Erl. 1).

31 Nach diesem Maßstab ist die Buttersäure in der Art, wie sie auf der Internetseite des Antragstellers beworben wird, zur Abschreckung von Maulwürfen bestimmt. Zwar führt der Antragsteller dort unterschiedliche Verwendungszwecke für diesen Stoff auf, die allesamt nichts mit der Vertreibung von Maulwürfen zu tun haben. Doch wird schon an den Packungsgrößen im Bereich von 100 ml bis 500 ml deutlich, dass die Zielgruppe des Antragstellers nicht die Hersteller von Parfüm oder von Kunststoffen sind. Für den Käufer geringer Mengen dieses Stoffes dürfte nur die Verwendung als Abwehrmittel gegen Maulwürfe oder Wühlmäuse in Betracht kommen. Dies wiederum deckt sich mit der Gestaltung der Internetseite des Antragstellers, die im Hintergrund eine Rasenfläche zeigt. Abgesehen davon ergibt der vom Antragsteller verwendete Slogan „in 24 Stunden zum Erfolg“ für die Buttersäure ausschließlich im Zusammenhang mit einer Verwendung als Abwehrmittel einen Sinn.

32 Selbst wenn die Verpackung der Buttersäure den Zweck als Abwehrmittel gegen Maulwürfe und Wühlmäuse nicht ausweist und der Antragsteller mittlerweile nicht mehr eine eigene Angabe über diesen Verwendungszweck auf seiner Internetseite verwendet, ist doch der Vertrieb ohne jeden Zweifel im Wesentlichen darauf ausgelegt. Denn der Antragsteller bewirbt die Qualität von Buttersäure als Abwehrmittel gegen Maulwürfe dadurch, dass er auf seiner Internetseite Kundenbewertungen einstellt, die sich ganz überwiegend zur Wirksamkeit des Präparats für diesen Zweck verhalten (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 29. Juli 2014 - 25 O 8/14 -, Rn. 133, juris). Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, er sei zur Veröffentlichung von Kundenbewertungen rechtlich verpflichtet. Eine Norm, die ihm dies aufgibt, hat er für diese Behauptung nicht benannt und eine solche ist auch nicht ersichtlich. Ob der Antragsteller auf der Seite seines Internetshops Kundenbewertungen veröffentlicht, unterliegt seiner Entscheidung. Entscheidet er sich dafür, wird er wettbewerbsrechtlich gehalten sein, die Kundenbewertungen ohne Vorauswahl einzustellen. Das ändert aber nichts daran, dass er durch die Gestaltung seiner Internetseite und die Aufnahme von Kundenbewertungen die Verbrauchererwartung weckt, dass die von ihm vertriebene Buttersäure ein Maulwurfabwehrmittel darstellt. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, dass ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Kundenbewertungen nicht als eigene Behauptung zugerechnet werden könnten (Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13 -, Pressemitteilung Nr. 41/2015). Denn die dort entschiedene Konstellation betrifft die Frage, ob einem Betreiber eines Online-Bewertungsportals die dort eingestellten Bewertungen als eigene Behauptungen zugerechnet werden können. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil der Antragsteller als Anbieter eines Produkts über einen hiermit beauftragten Dritten die Kundenbewertungen eingestellt hat. Selbst wenn es im Übrigen zutreffen sollte, dass er die Einstellung und Auswahl der Bewertungen, solange er die Internetseite betreibt, nicht beeinflussen kann, würde sich an der damit gegebenen Unzulässigkeit dieser Vertriebsform nichts ändern.

33 bb. Der Antragsteller stellt die so bestimmte Buttersäure in seinem Internetshop auf dem Markt bereit.

34 cc. Unstreitig ist für Buttersäure keine Zulassung nach der Biozid-Verordnung (vgl. Artt. 19 ff., 25 ff. Biozid-VO) erteilt.

35 dd. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch der Geltungsbereich der Biozid-VO nicht ausgeschlossen. Der Ausschlussgrund des Art. 2 Abs. 5 Biozid-VO, wonach diese Verordnung nicht gilt für Biozidprodukte, die als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden, ist nicht erfüllt, weil es um eine derartige Zweckbestimmung hier nicht geht.

36 Auch der Ausschlussgrund des Art. 2 Abs. 2 Biozid-VO ist nicht erfüllt. Danach gilt diese Verordnung nicht für Biozid-Produkte, die in den Geltungsbereich u.a. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 (ABl. Nr. L 309 vom 24. November 2009, S. 1) über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln fallen. Art. 2 Abs. 1 lit. a dieser Verordnung regelt für deren Anwendungsbereich, dass sie für Produkte in der von dem Verwender gelieferten Form gelten, die aus Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten bestehen oder diese enthalten und dazu bestimmt sind, Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder deren Einwirkung vorzubeugen, soweit es nicht als Hauptzweck dieser Produkte erachtet wird, eher hygienischen Zwecken als dem Schutz von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen zu dienen.

37 Danach ist der Anwendungsbereich der Biozid-Verordnung hier nicht ausgeschlossen. Der Schutz von Pflanzen im Sinne der Verordnung Nr. 1107/2009 wird durch den Erwägungsgrund Nr. 6 dieser Verordnung geprägt. Dort ist ausgeführt, dass die Pflanzenerzeugung in der Gemeinschaft einen sehr wichtigen Platz einnehme. Eines der wichtigsten Mittel zum Schutz der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen einschließlich Unkräuter und zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion sei die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Die Verordnung Nr. 1107/2009 betrifft mithin die Unversehrtheit der Pflanzen(produktion), während die Biozid-Verordnung die Abwehr von Schädlingen im Übrigen regelt.

38 In diesem Sinne differenziert das Entscheidungshandbuch der EU zur Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. Nr. L 123 vom 24. April 1998, S. 1), der Vorgängerregelung der Biozid-VO (vgl. die dortigen Definitionen und Subsidiaritätsregelungen in Art. 2 Abs. 1 lit. a, Art. 1 Abs. 2 lit. r) danach, ob die Maulwurfabwehr Spielplätze, Wege, Tennisplätze, Pferderennbahnen und Flugplätze betrifft, um Menschen oder Rennpferde vor möglichen Verletzungen zu schützen oder aus ästhetischen Gründen eingesetzt wird, bzw. ob Konstruktionen wie Dämme gegen Schäden durch Grabgänge von Maulwürfen und Maulwurfshügel zu schützen. Denn der Anwendungszweck betreffe in diesen Fällen unzweifelhaft nicht den Schutz von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen (Manual of decisions for implementation of Directive 98/8/EC concerning the placing on the market of biocidal products, S. 15, https://ec.europa.eu/health/medical-devices/files/... Für den hier betroffenen Anwendungszweck von Privatanwendern (vgl. oben aa. (1)) ist festzustellen, dass er Aspekte der Ästhetik und der Sicherheit betrifft. Dass Buttersäure jedenfalls auch bestimmungsgemäß für diese Zwecke eingesetzt werden kann, genügt für die Anwendbarkeit der Biozid-Verordnung, ohne dass es auf ein Überwiegen dieses Verwendungszwecks ankommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Oktober 1995 - 12 S 3292/94 -, Rn. 31 ff., juris).

39 Am Rande sei bemerkt, dass die Einordnung von Buttersäure als Pflanzenschutzmittel nichts daran ändern würde, dass dem Antragsteller, obwohl auch für diesen Anwendungszweck eine Zulassung erforderlich ist, eine solche nicht erteilt wurde.

40 ee. Auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage einer dynamischen Verweisung des Chemikaliengesetzes auf die Biozid-Verordnung kommt es nicht an. Denn das Unionsrecht, das Vorrang gegenüber dem nationalen Recht besitzt, ist im Wege des indirekten Vollzuges, also mit den Mitteln des nationalen Rechts durchzuführen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. September 1983, verb. Rs. 205/82, Slg. 1983, S. 2633 Rn. 19 – Milchkontor). Hierzu sind alle staatlichen Stellen verpflichtet (Art. 4 Abs. 3 EU). Dies gilt insbesondere für Verordnungen, die gemäß Art. 288 UAbs. 2 S. 2 AEUV in allen ihren Teilen - wie hier Artt. 3 Abs. 1 lit. a, 17 Abs. 1 Biozid-VO - verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Da es hierfür keiner ausdrücklichen Anordnung im Recht des jeweiligen Mitgliedstaats bedarf, wäre das Verbot, Biozid-Produkte im Sinne der Biozid-Verordnung ohne Zulassung auf dem Markt bereitzustellen, auch ohne die Verweisung in § 3 Satz 1 Nr. 11 ChemG mit den Mitteln des nationalen Rechts durchzusetzen.

41 ff. Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Bestimmtheit des § 23 Abs. 1 ChemG nicht. Zwar sind Handlungsmöglichkeiten der Behörde in dieser Vorschrift nur generalklauselartig bestimmt. Ein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz liegt darin aber nicht. Der Gesetzgeber ist nach diesem Grundsatz nur gehalten, Normen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Es reicht aus, wenn sich der Regelungsgehalt im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt. Diesen Anforderungen genügt die Bindung der Anordnungsbefugnis an das Erforderlichkeitskriterium (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2013 - 2 BvF 1/05 -, BVerfGE 133, 241-272, Rn. 84, juris zu § 16 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG; i.E. ebenso zu § 23 Abs. 1 ChemG: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2000 - OVG 3 B 12/99 -, NVwZ 2001, 585 f.). Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt aus der von ihm zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden vom 30. Januar 2015 - 2 K 80/14 - nichts Gegenteiliges. Der Handel mit Buttersäure betrifft nicht etwa eine (neu) verbreitete Erscheinungsform der Berufsausübung - auf den Vertrieb über das Internet kommt es insoweit nicht entscheidend an -, noch ist etwas für ein faktisches Berufsverbot - wie der Antragsteller meint - ersichtlich, wenn er lediglich auf die Bewerbung von Buttersäure als Maulwurfbekämpfungsmittel verzichten muss.

42 b. Das auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen hat die Behörde beanstandungsfrei ausgeübt. Den Ausführungen im angefochtenen Bescheid kann entnommen werden, dass die Behörde das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers erkannt hat, jedoch der Einhaltung der unionsrechtlichen Vorschriften über die Bereitstellung von Bioziden auf dem Markt ein höheres Gewicht beigemessen hat.

43 2. Bei dieser Sachlage begegnet der Sofortvollzug keinen rechtlichen Bedenken. Denn bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts und dem privaten Interesse an der Aussetzung der Regelung bis zur endgültigen Klärung ihrer Rechtmäßigkeit hat namentlich bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wie sie die hier erfolgte Untersagung nach § 23 Abs. 1 ChemG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Biozid-VO darstellt, die summarische Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erhebliches Gewicht. Spricht - wie hier - alles dafür, dass der Antragsteller Buttersäure nicht als Biozid auf dem Markt bereitstellen darf und ihm dieses folglich untersagt werden konnte, treten die persönlichen Interessen des Betroffenen regelmäßig - und so auch hier - hinter das Interesse an der Gesundheit für Tiere und für die Umwelt (Erwägungsgrund Nr. 3 der Biozid-Verordnung) zurück (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - OVG 1 S 127.10 -, S. 4 des Beschlussabdrucks).

44 3. Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 2. Var., Satz 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO Bln sofort vollziehbare und auf § 5a VwVfG Bln i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 9 ff. VwVG gründende Zwangsgeldandrohung begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Sie dient der Durchsetzung der Untersagungsverfügung. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, das mit 5.000 Euro bemessen wurde, liegt noch an der unteren Grenze des durch § 11 Abs. 3 VwVG i.V.m. § 5a Satz 3 VwVfG Bln vorgegebenen Rahmens von bis zu 50.000 Euro und lässt in Anbetracht des von der Behörde verfolgten Ziels sowie des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers an der Aufrechterhaltung seiner bisherigen Praxis keine Unverhältnismäßigkeit erkennen. Die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG zu bestimmende Frist hat die Behörde vorliegend mit einem Zeitraum von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bedenkenfrei gewählt, da dem Antragsteller innerhalb dieser Frist der Vollzug zuzumuten ist. Dass er nach eigenem Vorbringen keinen eigenen Zugriff auf die Gestaltung der Internetseite besitzt, sondern lediglich ein dritter Unternehmer, ist unerheblich, weil die von ihm bezeichnete Firma in seinem Auftrag tätig wird.

45 4. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des angefochtenen Bescheides, der wertmäßig die Hälfte ausmacht, aus § 161 Abs. 2 VwGO. Der Antragsgegner hat den Antragsteller in Bezug auf die Tenorpunkte 2 und 4.2 des angefochtenen Bescheides im Rahmen des Eilverfahrens wohl klaglos gestellt. Die Frage, ob dies ohne relevante Änderung der Sachlage erfolgte, lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden und muss auch im Rahmen eines Hauptsachenerledigungskostenbeschlusses nicht mehr geklärt werden; insoweit hält die Kammer Kostenteilung in diesem Punkt für billig. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts gründet auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat das Gericht in Anlehnung an Nr. 25.2 des Streitwertkataloges unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers in seinen eidesstattlichen Versicherungen vom 15. April 2015 zum monatlichen Umsatz (GA Bl. 41 und VG 4 L 159.15, GA Bl. 159) den Streitwert daraus ermittelt, dass die Jahreswerte seiner - hier nicht betroffenen - Aktivitäten bei eBay und Amazon einen Betrag von insgesamt etwa 300.000 Euro ergeben (vgl. Beschluss der Kammer vom 18. Mai 2015 - VG 4 L 159.15 -, S. 6) und ihrerseits 60 - 70% seines Gesamtumsatzes ausmachen; die hier betroffene Differenz in Höhe von etwa 128.500 Euro war wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbieren. Davon ausgehend hat das Gericht den Gewinn - mangels diesbezüglicher Angaben des Antragstellers - auf etwa ein Fünftel davon geschätzt.