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Entfernung von Abmahnung aus Personalakte wegen formaler Mängel

25. May
2014

 - 0Dem LAG Berlin-Brandenburg lag die Klage auf Entfernung von drei Abmahnungen aus der Personalakte zugrunde und zwar wegen 1. der Nichtteilnahme an einer Besprechung, 2. der unstreitig verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit, und 3. der erneuten verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit die von einer Kollegin übermittelt wurde.

Hinsichtlich der 1. und 3. Abmahnung hat das LAG dem Begehren der Arbeitnehmerin auf Entfernung statgegeben und lediglich die 2. Abmahnung als begründet angesehen. Damit folgt das LAG der 1. Instanz.

Nach Ansicht des Gerichts ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem dienstlichen Gespräch zu verpflichten Stets müsse der Arbeitgeber jedoch bei derartigen Verpflichtungen zu einem Gespräch billiges Ermessen walten lassen. Dieses liege hier nicht vor, da die Beklagte bzw. der Vorgesetzte der Klägerin den Termin auf vorangegangenes Bitten der Klägerin auch hätte verschieben können, um so der Klägerin Gelegenheit zu geben, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, die an dem anberaumten Gesprächstermin, der Grundlage der 1. Abmahnung war, nicht zur Verfügung stand. Erhebliche entsgegenstehende Interessen des Arbeitgebers sind denkbar, wurden im konkreten Fall jedoch nicht vorgetragen.

Klar ist der Fall hinsichtlich der 2. Abmahnung. Hier hat die Klägerin entegen der gesetzlichen Vorgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber verspätet angezeigt. Die Klägerin hat die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit, welche in der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur bis zum 21.08.2012 nachgewiesen gewesen war, nicht am Folgetag, sondern erst durch die am 23.08.2012 per Post eingegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angezeigt. Dadurch hat sie den Arbeitgeber einen vollen Arbeitstag über die Fortdauer ihrer Erkrankung und damit über den Grund ihres Nichterscheinens im Unklaren gelassen.

Dagegen ist die 3. Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, schon weil der Arbeitgeber von falschen Sachverhaltsvoraussetzungen ausgeht. Er rügt nicht die verspätete Mitteilung, sondern die Art und Weise, dass es durch einen Boten -und zwar einer Kollegin-mitgeteilt wurde. Das hätte dann auch genau so in der Amahnung dargestellt werden müssen, was nicht erfolgte.

Volltext des Urteils LAG Berlin-Brandenburg 13 Sa 1446/13 13Sa 1539/13:

Leitsätze

Der Arbeitnehmer kann als Beistand zu einem Personalgespräch eine Person seines Vertrauens hinzuziehen, wenn die Gefahr besteht, dass ihm wie in Gesprächen zuvor arbeitsrechtliche Maßnahmen drohen. Eine Grenze findet dieses Recht dort, wo durch die Teilnahme einer bestimmten Person der Zweck des Gesprächs gefährdet wird oder wo berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.

Tenor

I. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.06.2013 – 60 Ca 15874/12 – werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte 2/3, die Klägerin 1/3 bei einem Streitwert von 15.000,00 EUR.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Entfernung dreier Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin wegen der Nichtteilnahme an einer Besprechung (vgl. die Abmahnung vom 10.07.2012, Bl. 11 bis 12 d. A.), der verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. die Abmahnung vom 02.10.2012, Bl. 13 bis 14 d. A.) und der erneuten verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. die Abmahnung vom 05.10.2012, Bl. 15 bis 16 d. A.).

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 19.06.2013 die Beklagte verurteilt, die Abmahnungen vom 10.07.2012 und 05.10.2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und im Übrigen wegen der Abmahnung vom 02.10.2012 die Klage abgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin dadurch keine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt habe, dass sie an dem für 15:00 Uhr am 09.07.2012 anberaumten Gespräch nicht teilgenommen habe. Zwar sei der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Gespräch zu verpflichten, in dem der Arbeitgeber Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden wolle. Stets müsse der Arbeitgeber jedoch bei derartigen Verpflichtungen zu einem Gespräch billiges Ermessen walten lassen. Dieses liege hier nicht vor, da die Beklagte bzw. der Vorgesetzte der Klägerin den Termin auf vorangegangenes Bitten der Klägerin auch hätte verschieben können, um so der Klägerin Gelegenheit zu geben, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, die an dem anberaumten Gesprächstermin am 09.07.2012 nicht zur Verfügung stand. Dementsprechend habe die Klägerin einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 10.07.2012 aus ihrer Personalakte entsprechend §§ 242; 1004 BGB.

Dies gelte auch für die Abmahnung vom 05.10.2012. Diese sei zum einen inhaltlich falsch, weil der Klägerin vorgeworfen werde, dass der Vorgesetzte der Klägerin von ihrer Krankmeldung erst mittelbar über deren Kollegin Frau F. am 20.09.2012 erfahren habe und die Klägerin die Hausverfügung nicht beachtet habe, wonach die unverzügliche Unterrichtung ihres Vorgesetzten über die Erkrankung und die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit unterblieben sei. Die Rüge gehe fehl, weil die Klägerin auch aus der diesbezüglichen E-Mail vom 20.12.2011 schließen durfte, dass sie ihren Vorgesetzten auch über einen Boten informieren durfte, wobei sie dann das Risiko zu tragen hatte, dass die entsprechende Erklärung den Vorgesetzten nicht rechtzeitig erreicht. Dies sei jedoch bei der Verlängerung der Krankschreibung über den 19.09.2012 nicht der Fall gewesen. Diese Erklärung erreichte den Vorgesetzten über die Botin Frau F. unstreitig am 20.09.2012 um 11:00 Uhr und damit einen Tag nach Ende der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit. Die um wenige Stunden verspätete Unterrichtung sei jedoch in der Abmahnung nicht gerügt worden, sondern nur die mittelbare Unterrichtung.

Die Abmahnung sei außerdem unverhältnismäßig. Die Beklagte habe den Verstoß gegen die rechtzeitige Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit des aus ihrer Sicht erneuten Verstoßes bereits mit Abmahnung vom 02.10.2012 gerügt und nur drei Tage später eine weitere Abmahnung auf einen vergleichbaren Sachverhalt gestützt, ohne dass die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, ihr Verhalten entsprechend der arbeitgeberseitigen Rüge vom 02.10.2012 auszurichten. Da der Vorgesetzte noch am ersten Tag nach Ablauf der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Kenntnis von der weiteren Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gehabt habe und der Nachweis dieser Arbeitsunfähigkeit insbesondere ihrer Dauer ihn noch am Folgetag erreicht hätte, sei insbesondere die mit der Abmahnung verbundene Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens der Klägerin, indem die Abmahnung im letzten Absatz auf der ersten Seite als „letztmalige Abmahnung“ bezeichnet werde und eine Kündigung für den Wiederholungsfall angekündigt werde, nicht mehr geboten.

Hingegen sei die Klage unbegründet, soweit die Klägerin die Entfernung der Abmahnung vom 02.10.2012 aus ihrer Personalakte begehre. Die Klägerin hätte die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit, welche in der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur bis zum 21.08.2012 nachgewiesen gewesen sei, nicht am Folgetag, sondern erst durch die am 23.08.2012 per Post eingegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angezeigt. Dadurch habe sie den Arbeitgeber einen vollen Arbeitstag über die Fortdauer ihrer Erkrankung und damit über den Grund ihres Nichterscheinens im Unklaren gelassen. Dies stelle eine objektive Pflichtverletzung dar, welche die Beklagte als Gläubigerin der geschuldeten Arbeitsleistung habe rügen dürfen. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob die Klägerin – wie behauptet – tatsächlich mehrfach versucht hätte, ihren Vorgesetzten am 21.08.2012 zu erreichen, denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rügerechts kommt es auf die persönliche Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung nicht an. Im Übrigen sei auch die persönliche Vorwerfbarkeit gegeben, denn die Klägerin hätte auch in diesem Fall versuchen können, ihre Anzeigepflicht über einen Boten/eine Botin zu erfüllen oder die Rechtzeitigkeit der Unterrichtung durch eine Mitteilung per Fax sicherstellen können. Darüber hinaus sei der Vortrag der Klägerin, sie habe versucht, ihren Vorgesetzten zu erreichen, unsubstantiiert, da sie nicht vorgetragen habe, zu welchem Zeitpunkt unter welcher Telefonnummer sie die Kontaktaufnahme versucht hätte. Angesichts der Nichterfüllung der Unterrichtungspflicht für die Dauer eines vollen Arbeitstages sei die Abmahnung auch nicht unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin und des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf das Urteil vom 19.06.2013 (Bl. 62 bis 78 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 26.07.2013 und der Klägerin am 02.08.2013 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 02.09.2013 eingegangene und am 02.10.2013 begründete Berufung der Klägerin und die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 16.08.2013 eingegangene und am 25.09.2013 eingegangene Berufung der Beklagten. Beide wiederholen und vertiefen ihren Vortrag zur Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der drei Abmahnungen unter konkreter Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.06.2013 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 02.10.2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.06.2013 dahingehend abzuändern, dass die Klage auch bezüglich der Abmahnungen vom 10.07.2012 und 05.10.2012 abgewiesen wird sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen des weiteren konkreten zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 02.10.2013 (Bl. 105 ff. d. A.) und 22.10.2013 (Bl. 115 ff. d. A.) sowie der Beklagten vom 24.09.2013 (Bl. 88 ff. d. A.) und 30.10.2013 (Bl. 118 f. d. A.) verwiesen.

Gründe

I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässigen Berufungen sind insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache sind jedoch beide Berufungen nicht begründet. Sowohl im Ergebnis als auch in der sorgfältigen und ausführlichen Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte verurteilt, die Abmahnungen vom 10.07.2012 und 05.10.2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Berlin, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist im Hinblick auf den Vortrag der Parteien in der zweiten Instanz und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2013 nur auf Folgendes hin:

a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht Berlin insbesondere darauf hingewiesen, dass die Weisung der Beklagten unbillig gemäß §§ 106 GewO; 315 BGB gewesen sei, an der Besprechung am 09.07.2012 teilzunehmen, ohne dass die Klägerin in der Lage war, eine Vertrauensperson hinzuziehen. Denn wie das Bundesarbeitsgericht anlässlich von Nichtverlängerungsmitteilungen (vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 665/11 – juris, siehe auch BB 2013, 2547) und Anhörungsgesprächen vor Ausspruch einer Verdachtskündigung (vgl. BAG 13.03.2008 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; vgl. auch Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2204) entschieden hat, können in Personalgesprächen Dinge zur Sprache kommen, mit denen der Arbeitnehmer erstmals konfrontiert und von denen er deshalb überrascht wird. Um dieser Gefahr vorzubeugen, ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer als Beistand eine Person seines Vertrauens zum Gespräch mitbringen kann. Eine Grenze findet dieses Recht dort, wo durch die Teilnahme einer bestimmten Person der Zweck des Gesprächs gefährdet oder wo berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (vgl. BAG 15.05.2013, a.a.O., Rz. 48 m. w. N.).

Derartige entgegenstehende Interessen sind vorliegend nicht zu erkennen. Dagegen durfte die Klägerin durch die kurzfristig anberaumte Teilnahme der Verwaltungsleiterin und personalverantwortlichen Frau H. auf Seiten der Arbeitgeberin befürchten, dass ihr wie schon zuvor arbeitsrechtliche Maßnahmen drohten (Übergabe einer Abmahnung in der Besprechung vom 21.03.2012, Umsetzung von Berlin nach Hannover anlässlich einer Arbeitsbesprechung am 14.06.2012).

b) Auch im Übrigen ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts richtig. Weder hat die Klägerin darlegen können, dass eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Beklagte einen Tag nach Ablauf der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit erreicht hat, wozu die Absendung eines Briefs einen Tag vorher angesichts des Eingangsstempels seitens der Beklagten nicht ausreicht, noch hat die Beklagte im Rahmen ihrer Berufung auch nur ansatzweise die Hauptbegründung der ersten Instanz angreifen können, dass die Abmahnung vom 05.10.2012 die eigentliche Verspätung um ein paar Stunden gar nicht erwähnte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1; 97 Abs. 1 ZPO bei unverändertem Streitwert von 15.000,00 EUR.

IV. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.